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Aus Erziehung wird Beziehung“ (Jesper Juul)

Seit August 2025 sind wir familylab zertifiziert und beschäftigen uns im Zuge dessen mit den vier Werten von Jesper Juul, um Situationen aus diesem Blickwinkel zu betrachten und zu reflektieren. Diese sind:

I. Authentizität

Kinder machen nicht das, was wir sagen, sondern das, was wir tun.“ (Jesper Juul)

Authentizität ist die Fähigkeit, die Person zu sein, die man wirklich ist, um auch andere in ihrer Einmaligkeit wahrnehmen zu können. Wir brauchen nicht mehr in einer Eltern- oder z.B. Erzieherrolle zu leben, immer nett und freundlich sein. Im Gegenteil: Sich authentisch zu verhalten, ist für uns einer der Schlüssel. Es reicht, wenn wir so sind, wie wir sind, damit haben wir schon genug zu tun. Der Fokus liegt immer darauf, dass alle im Kindergarten sagen können, was sie fühlen und damit ernst genommen werden. Das bedeutet auch, dass wir Fehler machen und Schwäche zeigen dürfen. Sind wir wirklich „echt“ in unseren Reaktionen und Handlungen, ist das nicht nur für uns gesünder, sondern wir sind hervorragende Rollenmodelle für unser Gegenüber – denn die Botschaft lautet: „Ich darf so sein, wie ich bin!“

Damit können Kinder Kontakt zu uns herstellen. Wir können ihnen so Resonanz von uns als Individuum jenseits von Kritik und Beschämung bieten. Natürlich ist Authentizität auch wichtig zwischen der Eltern- Erzieher Beziehung. Wir müssen authentisch miteinander kommunizieren, um das Kind bestmöglich in seiner Entwicklung zu begleiten. Es ist wichtig für die Kinder, dass Eltern sowie wir Erzieher sich wohlfühlen. Dies wirkt sich stark darauf auf, ob sich das Kind auch bei uns wohl fühlt.

II. Eigenverantwortung

Eigenverantwortung ist die Verantwortung für unser eigenes Verhalten, unsere Gefühle, unsere Reaktionen, unsere Werte. Verantwortung zu übernehmen heißt auch, Fehler einzugestehen, sich zu entschuldigen. Wir, als Fachleute sind zudem in jeder Situation verantwortlich für die Qualität der Beziehung. Kinder sind schlichtweg nicht in der Lage, diese Verantwortung zu übernehmen. Das bedeutet: Nicht das Kind, das sich partout nicht so verhalten will, wie wir uns das vorstellen ist verantwortlich für die schwierige Atmosphäre, sondern ausschließlich wir Erwachsenen. Dies bedeutet, dass wir immer wieder Situationen zusammen reflektieren und hinterfragen, was es vielleicht auch mit uns persönlich zu tun hat.

Wer lernen soll, die richtige Entscheidung zu treffen, dem müssen die Eltern auch die Möglichkeit geben, sich falsch zu entscheiden“ (Jesper Juul)

Dieses Zitat bedeutet, dass wir den Kindern altersentsprechend Eigenverantwortung geben. Dabei dürfen und müssen sie Fehler machen. Hier begleiten wir die Kinder liebevoll und mit Respekt. Erfahrungslernen ist ein wichtiger Entwicklungsteil in unserer Einrichtung. Kinder kennen auch ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse und können darauf aufmerksam machen. Sie können ihre Grenzen allerdings nicht verteidigen oder ihre Bedürfnisse befriedigen. Sie können sich nicht gegen den Willen von uns schützen, wenn wir ihre Kompetenz nicht anerkennen. Dazu brauchen Kinder einen achtsamen Umgang unsererseits mit ihren Kompetenzen und Grenzen.

III. Gleichwürdigkeit

„Gleichwürdigkeit bedeutet nicht, dass alle gleich sind, sondern dass jeder den gleichen Wert hat.“ (Jesper Juul)

Gleichwürdigkeit in Beziehungen bedeutet, anzuerkennen, dass alle Menschen, egal welchen Alters, von gleichem Wert sind. Ganz offensichtlich haben die Erwachsenen mehr Wissen, Kraft und Macht als das Kind. Aber die Gefühle, die Gedanken, Bedürfnisse und Interessen des Kindes können trotzdem als gleichwürdig geachtet werden – das Kind kann mit seiner Welt ernst genommen werden. Das heißt nicht, dass dem Kind alle Wünsche erfüllt werden, aber zumindest wird es mit diesen Wünschen angehört und respektiert, auch wenn ihnen nicht immer entsprochen werden kann. Es hat auch nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Es bedeutet, dass ich mein Gegenüber (Erwachsene und Kinder) genauso ernst nehme wie mich selbst. Es bedeutet, dass ich die Würde des anderen respektiere und die Tatsache, dass er oder sie eigene Ansichten, Wünsche und Bedürfnisse hat. Gleichwürdigkeit fordert in letzter Konsequenz auch einen Respekt vor den Werten anderer, die vielleicht meinen eigenen widersprechen.

Dieser Wert ist auch ein Grundsatz dafür, dass wir Kinder in ihrem Wesen respektieren. Das heißt wir wollen sie nicht verändern, sondern ihnen den Rahmen geben, sich individuell zu entwickeln. Jedes Kind hat immer einen guten Grund, wenn es sich unangemessen verhält. Wir gehen davon aus, dass jedes Kind immer sein Bestes gibt. Daher sind wir durch Supervision und Fallberatungen immer auf der Suche nach dem guten Grund, um bestmöglich Grenzen zu setzen und warmherzig auf das dahinter liegende Bedürfnis zu reagieren.

VI. Integrität

Integrität bedeutet, dass wir Erwachsene lernen, unsere eigenen Grenzen zu äußern, statt Grenzen für die Kinder zu finden. Die eigenen Grenzen zu spüren und auf bedeutungsvolle Weise zu kommunizieren, zu einem ‘Nein’ zu stehen, ohne sich dabei in eine Machtposition über das Kind zu erheben, das sind die Aufgaben von uns als ErzieherInnen. Grenzen ergeben sich nicht aus Konventionen oder Regeln, es sind persönliche Grenzen, Grenzen der Gruppe oder der Rahmenbedingungen.

Integrität bedeutet also auch ein „Ja“ zu sich selbst. Damit ist aber ein ”Nein” keine Bedrohung der Gemeinschaft, sondern eine Garantie für die gesunde Entwicklung des Kindes und dafür, dass die Liebe nicht zur Pflicht wird. Aus diesem Grund respektieren wir wenn möglich immer ein „Nein“ des Kindes, haben aber auch gleichzeitig die Bedürfnisse der Gruppe sowie von uns Fachleuchten und die Grenzen der Kompetenzen der Kinder (fehlender Weitblick, keine Impulskontrolle, fehlende Vernunft…) im Blick.

Das Nein ist die schwierigste und gerade deshalb auch die liebevollste Antwort. Sie erfordert am meisten Umsicht, Engagement, Ehrlichkeit und Mut.“ (Jesper Juul)